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Singener Poppele-Zunft gelingt beim Narrenspiegel ein Balance-Akt

Drei „P“s versammelt die Poppele-Zunft in ihrem Namen. Das ist den Narren offensichtlich Verpflichtung. Der Narrenspiegel funktionierte als Balance-Akt zwischen Professionalität, Populismus und Pädagogik.

Der Termin für die Verabschiedung von Frank Hämmerle steht fest. Am 29. April gibt es für den Landrat einen großen Bahnhof im Konstanzer Konzil und ob er oder die Festgäste es nun wollen oder nicht – es wird große Gesten geben, Verneigungen, Lobeshymnen. Aber muss man damit schon jetzt anfangen? Als Zunftmeister Stephan Glunk am Freitagabend beim Narrenspiegel der Poppele seine gesangliche Laudatio auf den Amtschef ankündigt, muss Schlimmstes vom in der Singener Stadthalle versammelten Spottgeist erwartet werden. Doch der Verrat an der Narretei bleibt aus. Was Stephan Glunk liefert, entspricht im besten Sinne den Statuten der Fastnacht. Ohne zu verletzen nimmt der Obernarr den Top-Politiker hoch, das Schmunzeln beginnt beim ersten Reim und zwischendurch wechselt es in herzhaftes Lachen. Keine Frage, der Zunftmeister hat damit die Messlatte für die Festredner am 29. April hoch gelegt, und schon jetzt dürfte feststehen, dass manch einer sie reißen wird. Stephan Glunks Stück ist ein Beispiel für die hohe Kunst der närrischen Schelte, die allen Freud‘ bereiten und keinem Leid zufügen möchte.

Reifeprozess eines Narren

Solche Professionalität aber fällt nicht vom Himmel, sie will reifen. Man nehme Simon Götz, dessen frühere Büttenreden gern kränkende Spurenelemente aufwies – eine Bitterkeit, die meist mit dem Redner selbst nach Hause geht. Diesmal aber gelingt ihm ein Meisterstück. Scharf und pointiert ist er auch am Freitag, aber sein Witz geht nicht auf Kosten jener, die er ins Visier nimmt. Und so kann sich beispielsweise auch Bohlingen amüsieren – ein Ort, in den der Redner Randalierer und Dreckspatzen verbannen möchte, wenn man sie sich schon nicht gleich zum Teufel jagen lassen. Was an Simon Götz‘ Beitrag überzeugt: Er bekommt die Kurve, verbindet Globales wie den Klimawandel mit der Stadtpolitik, die glaubt ohne Begrünung des Bahnhofsplatzes auskommen zu können, streift das Verstummen der Glocken der Liebfrauenkirche, kommt vom Cano-Neubau zum MAC und baut mit seinem Wunsch nach weniger Textil bei den Rebwieberhäsern eine Zote ein, ohne ein Fall für die Me-too-Debatte zu werden.

OB-Spitzname: Der Bagger-Bernd…

Solcher Populismus gehört in jeden Narrenspiegel. Auf die deftige Art kommt er bei den Sketchen der Hegau Strößler (Babsi Lienhard, Benedikt Sauter), der Frisörinnen (Sandra Korhummel, Silke Hauschild, Nicola Kania) und den Beiträgen des Poppelechors daher – Letzterem dürfte Oberbürgermeister Bernd Häusler vermutlich zu verdanken haben, dass er dereinst als Bagger-Bernd in die Annalen der Singener Geschichte eingehen wird.

Deutliche Ansage für Wolfgang Gedeon & Co

Herausragend beim närrischen Abarbeiten populärer Themen aber ist das Duo Fidele und Nazi (Rüdiger Grundmüller, Ali Knoblauch). Wie schon zuvor die Frisörinnen mit ihrer Kritik an der politisch geforderten Schüler-Denunziation an unliebsamen Lehrern ordnen Fidele und Nazi unter dem Beifall des Publikums die Diffamierung der Stolpersteine als „Gedenkdiktatur“ durch den AfD-Ableger Wolfgang Gedeon als alternative Niete ein. Auf ihre Weise famos präsentieren auch die Narreneltern (Ekke Halmer, Peter Kaufmann) die Aufreger-Themen der Stadt. In ein, zwei gereimte Strophen bringen sie auf den Punkt, wozu übers Jahr Politik, Medien und Stammtische ungleich mehr Worte verlieren.

Der Blick auf die Einzelbeiträge verkennt allerdings die Effekte der Inszenierung (Regie: Ekke Halmer, Stephan Glunk, Ali Knoblauch). Sie sorgt zwischendurch für Show-Elemente, mal durch die Kindertanzgruppe (Leitung: Elsbeth Luzio, Sandra Georg; Musik: Nelson Luzio), dann durch die Tanzgruppe Inge (Leitung: Inge Kaufmann), zur Musik der Gottmadinger Aussteiger wird geschunkelt und der Jugend wird am Ende das Schlusswort mit einer Karaoke-Nummer überlassen. Es sind Versatzstücke, die vor allem das pädagogische Ziel der Bühnenerfahrung junger Narren verfolgt – auf dass sie reifen zu närrischer Professionalität.

Qualität der schrägen Kunst

War sonst noch was? Ach ja, als kurz vor halb Zwölf der Vorhang zugezogen wird, kann sich das Publikum noch in der Bar austauschen. Dort dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit der Auftritt der „Zwei Damen“ (Angelika BernerAssfalg und Elisabeth Paul) und der „Dramatischen Vier“ (Stefan Fehrenbach, Günther Haupka, Peter Hug, Uwe Seeberger und Helmuth Thau sowie Klaus Bach in einer Gastrolle) nachgekostet worden sein. Beide Nummern sind nicht zufällig im Schlussdrittel des Narrenspiegels platziert. Sie bilden mit ihrer schrägen Komik und stimmlichen Qualität die Klammer zum professionellen Auftakt – Chapeau!

Teamleistung

Der Narrenspiegel der Poppele-Zunft ist ein Gemeinschaftswerk mit zahlreichen Beteiligten und im Hintergrund tätigen Wasserträgern. Fest zur Inszenierung beispielswesie zählt der Einzug des Fanfarenzugs (Leitung: Rosario Cennamo) sowie das leicht gruselig gehaltende Entrée des Poppele (Timo Heckel). Für Ton und Technik waren Christoph Schaible und Rudi Keller zuständig, für die Beleuchtung sorgten Petra Nothhelfer und Adam Dabkowski. Großen Anteil am reibungslosen Verlauf hat ferner das Dutzend, aus dem die Bühnenmannschaft besteht. Deren Aufgaben koordinierte Eugen Kania

Quelle: Südkurier Singen, 10.02.2019 von Torsten Lucht

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