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Poppele liefern Mix aus Show und Witz

“Der Singener Narrenspiegel 2018 setzt Maßstäbe. Das liegt an der Mischung von guten Einzelbeiträgen und der Gesamtinszenierung

Die Narren sind so früh dran wie selten. Selbst der Oberste unter den schrägen Gesellen, die sich am Wochenende in der Stadthalle zum Narrenspiegel versammelten, gestand es ein: Bei einer Plauderei meint Zunftmeister Stephan Glunk, sich irgendwie noch im Weihnachts- beziehungsweise Silvester-Modus zu befinden. Umso verwunderlicher, wie schnell bei der Narrenspiegel-Premiere am Freitagabend dann doch der innere Kalender bei den Besuchern auf Fastnacht umgestellt wird. Zum Auftakt genügen ein paar Takte des Fanfarenzugs und nebulöse Bemerkungen des Poppele – schon richtet sich der Saal in der fünften Jahreszeit ein. Dass danach die Stunden wie im Flug vergehen, hat folgende Gründe:

Die Show:

Man kommt mit dem Schauen kaum nach, der Aufwand bei der Bühnengestaltung mitsamt der Beleuchtungs- und Nebeleffekte ist enorm. Die Kostüme sind allemal Hingucker – etwa beim Auftritt der Kindertanzgruppe zum Thema Bollywood oder der Tanzgruppe Jessica, die den Konflikt um den geplanten Kiesabbau im Dellenhau in Kurzform eines Musicals darstellt. Zum bunten Bild trägt die Detail-Verliebtheit bei, so hat beim Hindernisparcours der Tanzgruppe Inge jeder als Requisite eingesetzte Fahrradlenker seine eigene Note. Apropos Note: Beim herrlich schräg singenden Poppele-Chor lässt sich erahnen, wie viel Spaß die seit 60 Jahren auftretende Truppe in den Proben haben muss. Über allem aber steht das Bühnenbild – und der Singener Künstler Gero Hellmuth erntet für das Hauptwerk des diesjährigen Narrenspiegels einen Sonderbeifall des Publikums.

Die Sketche:

So viel steht fest: Der Ortsteil Bohlingen ist immer für einen Witz gut – sei es nun beim Sketch der Narreneltern (Ekke Halmer und Peter Kaufmann mit Christine Kaufmann) mit Verweis auf den Bohlinger Fleischkäse („Usse knusprig und inne it ganz bache“) oder in der Büttenrede von Simon Götz, der sich fragt, wer denn bitte schön freiwillig ins Bohlinger Neubaugebiet ziehen möchte. Der Running Gag ist jedoch nur ein Beispiel für die vielen Bezüge zu lokalen Begebenheiten und Personen. So nehmen Babsi und Benedikt (Babsi Lienhard, Benedict Sauter) in der Bauamtsszene die Umwege der Passanten über die Anliegergeschäfte während der Umbauphase der Hegaustraße aufs Korn und Fidele und Nazi (Rüdiger Grundmüller, Ali Knoblauch) empfehlen dem Singener Alt-OB und Ex-Minister Andreas Renner angesichts seines Sündenregisters statt des an Weihnachten zurückgelegten, neun Kilometer kurzen Pilgerwegs von Jerusalem nach Bethlehem eine Tour von Singen nach Santiago de Compostela mit rund 1900 Kilometern. Eine Klasse für sich sind Angelika Berner-Assfalg und Elisabeth Paul als Vertreterinnen des städtischen Kummerkastens, die übrigens ebenfalls das Image Bohlingens als Ortsteil der Besonderheiten kultivieren: Die Ausschilderung sei hier wegen zwei Auswärtigen pro Jahr nicht nötig…

Die Musik:

Den Original-Aussteigern aus Gottmadingen unter Leitung von Hans Seiler ist es zu verdanken, dass der Narrenspiegel auch während der Pausen keine Stimmungsdelle bekommt. Ein Meisterstück der Verwandlung gelingt dem Blasmusikorchester unter Dirigent Michael Stefaniak, das vom bräsigen Tonfall nach und nach in den Jazz gleitet und am Ende originelle Variationen von Fastnachts-Ohrwürmern präsentiert. Der Saal tost und man erlebt den seltenen Fall, dass mitten in der Show eine Zugabe gespielt wird.

Allerlei:

Alles ist gut – aber manches ist besser beim Narrenspiegel. Hut ab vor der einfachen, aber effektiven Vortragskunst von Stephan Glunk. Als wär’s nichts, reimt er Grausen auf Volkertshausen und kommt von der Butter zu Bürgermeister Mutter – bei so gut wie jeder Strophe erreicht sein als musikalisches Allerlei bezeichneter feiner Humor das Niveau kabarettistischer Kleinkunst. Am Ende des Abends gibt’s dann übrigens nochmals ein Allerlei im Sinne des Wortes: Szenen und Songs der jungen Narrentruppe des „Rotlichtmilieus“ kombinieren Bühnen-Show, Tanz, textliche Brillanz und Kritik. Wär’s nicht die Zeit der Narrenkappen, man würde klassischerweise enden mit einem: „Chapeau!“

Teamarbeit

Die Regie für den Narrenspiegel lag in den Händen von Ekke Halmer, Stephan Glunk und Ali Knoblauch. Die Texte stammten von Stephan Glunk, Karl Götz, Sandra Gäng-Decker, Simon Götz, Christine Kaufmann, Peter Kaufmann, Ali Knoblauch und Ekke Halmer. Für Ton und Technik waren Christoph Schaible und Rudi Keller zuständig, für die Beleuchtung Josef Oehmann und Eugen Maier. Zur Bühnenmannschaft gehörten Eugen Kania, Stefan Harter, Marko Jakobi, Thomas Kollek, Tobias Knittel, Christoph Knittel, Fabian Liehner, Kurt Hofmeister, Manfred Liebemann, Hans Willam und Maximilian Willam.

Quelle: Südkurier, 28.01.2018 von Torsten Lucht“

1/28/2018

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