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Krankenhaus, Aktivisten und der Rivale Konstanz: Treffsichere Pointen beim Narrenspiegel

Krankenhaus, Aktivisten und der Rivale Konstanz: Treffsichere Pointen beim Narrenspiegel

Drei Jahre ist es her, dass der Narrenspiegel der Poppele zuletzt über die Bühne der Stadthalle gehen konnte. Da war die aktuelle Auflage eine spürbare Befreiung – für das Publikum wie für die Narren.

Quelle: Südkurier Singen, Autor: Stephan Freißmann, 05. Februar 2023
https://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/singen/fastnacht/krankenhaus-aktivisten-und-der-seehas-treffsichere-pointen-beim-narrenspiegel;art1369003,11456509

Manchmal wird Narrenschelte unversehens aktuell. So geschehen beim Narrenspiegel der Poppele-Zunft in der Stadthalle in Bezug aufs Krankenhaus. Da unterhalten sich Berta und Sofie, dargestellt von Angelika Berner-Assfalg und Elisabeth Paul, am wieder mal gesperrten Bahnübergang in der Schaffhauser Straße – einem der ewigen Themen in Singen, wie Zunftmeister Stephan Glunk die Nummer ankündigte.

Zwischen den beiden Damen auf der Bühne entspann sich ein Dialog über das Singener Krankenhaus. Jetzt habe man so viel Geld ins alte Krankenhaus investiert und da soll ein Neubau her, wunderte sich Sofie. Doch das Problem sei: Die Radolfzeller hätten es auch gerne, gab Berta zurück – allerdings auf einer alten Kiesgrube, woraufhin beide einen kleinen Werbeblock für das von der Stadt Singen vorgeschlagene Grundstück für den möglichen Neubau eines Kreiskrankenhauses für den westlichen Hegau einlegten. Und warum dürfe Konstanz sein Krankenhaus behalten, fragte Sofie. Berta: „Du wosch doch, d‘ Konschdanzer sind ebbis Bsunders“ – und das schon seit dem Konzil vor 600 Jahren.

Bei dem Auftritt dürfte auch Landrat Zeno Danner aufmerksam zugehört haben, der bei der Premiere des Narrenspiegels am Freitag unter den 500 Zuschauern war – übrigens an demselben Freitag, an dem er auch das Aus fürs Radolfzeller Krankenhaus noch im Juni diesen Jahres verkündete. Stephan Glunk hatte in seinem Lieder-Block auch gleich einen Ratschlag für den Landrat parat: Er empfahl eine App für die Lösung des Klinikproblems.

Die größte Stadt am See – und ewiger nicht ganz so heimlicher Rivale von Singen – bekam auch an anderer Stelle ihr Fett weg. So sei der Tubaspieler Dietmar W. per Neun-Euro-Ticket von Singen nach Konstanz gefahren, erzählte Glunk in der Ankündigung zum Bahnsteigwechsel-Tanz der von Inge Kaufmann geleiteten Tanzgruppe. Auf dem Rückweg seien in Konstanz alle Fahrgäste dann zwischen zwei Bahnsteigen hin und her gerannt, je nach dem, welche Verspätung gerade angesagt wurde. Und der Singener Fahrgast sei zu dem Schluss gekommen: „Das Schönste an Konstanz ist der Zug nach Singen.“

Simon Götz wollte in seiner Büttenrede als Herzogin Hadwig Konstanz gar gleich an den Thurgau verkaufen. Bevor er – beziehungsweise sie – auf Partnersuche einmal die gesamte politische Welt des Hegau gekonnt durch den Kakao zog.

Andere Nummern richteten sich mehr oder weniger dezent an Oberbürgermeister Bernd Häusler und die Gemeinderäte. So sang der Poppele-Chor nach der Pause: „An Tagen wie diesen, vermissen wir die Scheffelhall“. Und die Narreneltern Ekke Halmer und Peter Kaufmann legten zur Melodie von Wellerman auf einem großen Flipchart dar, wie viel mit der alten Scheffelhalle verloren ging und wie sehr man sich auf den Neubau freue – inklusive einer Hommage an die legendäre Herrentoilette mit dem Spitznamen Panamakanal.

Aktivisten aller Couleur im Visier der Narren
Ebenfalls im Visier der Singener Narren: verschiedene Arten von Aktivisten. Gleich in der Eröffnungsnummer kamen Benedikt und Babsi in ihrer Wohngemeinschaft – gespielt von Babsi Lienhardt und Benedikt Sauter – zu dem Schluss, dass sie vielleicht lieber ohne schlechtes Gewissen zur Fasnacht gehen sollten, statt sich am Dix-Gemälde im Rathaus festzukleben.

Und im Narrenspiegel-Klassiker Fidele und Nazi – die Abkürzung steht für Ignatius – mit Ali Knoblauch und Rüdiger Grundmüller klebte sich Fidele an einer Straßenlaterne fest, um für FFF zu demonstrieren, Fidele für Feschte. Zum Beispiel für ein viertägiges Stadtfest, ein Weinfest ohne Sperrstunde und ein Burgfest auf der oberen Festung des Hohentwiel. Im Friseursalon von Nicola Kania, Sandra und Silke Korhummel ging es ums Marketing in digitalen Zeiten und Energiesparen durch Blasebalg statt Fön.

Kein Narrenspiegel ohne Tanz und Musik. Mit akrobatisch über die Bühne fliegenden sieben Zwergen samt Schneewittchen begeisterte eine Abordnung des Stadt-Turnvereins. Der Fanfarenzug unter Leitung von Rosario Cenamo blies dem Publikum zum Einstieg den Marsch, Poppele Timo Heckel forderte wie immer schaurig-schön zur Narretei auf und präsentierte die Figuren der Singemer Fasnet.

Schaurig-schön ging es auch beim Tanz der Hexen-Katzen-Clique aus Überlingen am Ried zu. Und schließlich kommentierten die jungen Musikgruppen um Simon und Flavia Götz das Stadtgeschehen aus ihrer Perspektive: In der grandios-melancholischen Heimweh-Hymne an Singen und im abschließenden Karaoke-Medley, in dem es unter anderem um Kneipenmangel in der Stadt ging.

Das Publikum spendete begeisterten Applaus – und natürlich holte sich manch ein Akteur ein kollektives „Hoorig“ aus dem Saal ab. Die Macher des Narrenspiegels freuten sich nach der gelungenen Premiere: „Man merkt, dass alle glücklich sind“, kommentierte Stephan Glunk.

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