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Ein närrisches Online-Spektakel

Ein närrisches Online-Spektakel

Quelle: Südkurier Singen, 11.02.2022 von Matthias Güntert

Den Singener Poppele ist mitten in der Pandemie beim Narrenspiegel eine Balanceakt zwischen Corona, Tradition und Moderne geglückt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zunft gab es den Narrenspiegel komplett als Online-Version. Und was Kameramann Claudius Paul und Tonmann Denis Fischer mit dem gut 50-minütigen Film geglückt ist, schreit sprichwörtlich nach einer Zugabe. Wer nun glaubt, dass der Online-Narrenspiegel ein Verrat an der Tradition der Narretei ist, der irrt. „Alle traditionellen Figuren der Poppele haben ihren Auftritt. Wir sind auf diesen Narrenspiegel unglaublich stolz“, sagt Zunftmeister Stephan Glunk bei der Vorpremiere des Films.

Über 40 Stunden Dreh- und Schnittarbeiten liegen hinter den beiden Verantwortlichen Claudius Paul und Denis Fischer, bis es der Film auf die Leinwand gebracht hat. Entstanden sind zehn Szenen mit einer Länge von drei bis sechs Minuten, die immer wieder durch musikalische Narrenprachtstücke des Fanfarenzuges vor herrlichen Kulissen eingeleitet werden. Und schon zum Auftakt zum närrischen Evergreen „Hoorig isch de sell“ wippen Zunftmeister Stephan Glunk, Zunftkanzler Ali Knoblauch und Säckelmeister Holger Marxer mit ihren Schuhen im Takt und verdeutlichen damit: Sie sind bereit für ein Stückweit normale Fasnet. Und genau die bietet der Online-Narrenspiegel.

Den Poppele ist mit ihrem Online-Narrenspiegel ein närrisches Stück geglückt, das vor Lokalkolorit nur so strotzt. Politische Nachrichten gibt es zuhauf. Schon zum Auftakt setzen Narrenvadder Peter Kaufmann und Narrenmodder Ekke Halmer den Ton. Tanzend schweben sie über die Ruine der Scheffelhalle. Die Botschaft unmissverständlich: Die Scheffelhalle muss wieder her. Und als wäre der närrische Druck auf die Stadtverwaltung und den Gemeinderat mit diesem Statement nicht schon stark genug, zurren die Narren den Zeitplan mit ihrer Schlusseinblendung fest: Am Freitag, 24. Januar 2025, wird die neue Scheffelhalle beim Neujahrsempfang wiedereröffnet. Kurz darauf, am Samstag, 22. Februar 2025, findet der Zunftball dort statt.

Bestens ausgeleuchtet zeigen sich die Szenen den Betrachtern. Deutlich weniger Lampen sehen die Poppele für den Hohentwiel. „Beleuchten und mit Flutlicht bestrahlen, das will man unseren Hausberg, den Hohentwiel, da frag ich mich: wer soll das bezahlen?“, ruft Simon Götz den Zuschauern in seiner Büttenrede zu. Für die Ideengeber folgt seine Antwort auf dem Fuße: „Vor Ort sein heißt auf die Berge zu laufen, statt sich einen schönen Hegau mit Scheinwerferlicht zu erkaufen.“ Rumms, das hat gesessen. Und dennoch: Seine Büttenrede ist scharf und pointiert, gespickt mit Witz und der passenden Portion Spott. Aber sie geht nicht auf Kosten jener, die er ins Visier nimmt. „Denn viele, die vom Tourismus profitieren wollen, wissen nicht mal, wie sie auf einen Berg kommen sollen.“

Musikalisch wird es beim Auftritt von Zunftmeister Stephan Glunk. Seine Nummer gehört zu einem Narrenspiegel der Poppele dazu wie die blau-weiß gestreiften Socken eines Rebwiebs. Der politische Rundumschlag fällt dieses Mal aus. Was stattdessen folgt, ist eine Huldigung an die Fasnet. Aber trotz allen närrischen Scharfsinns, den sein Mundart-Ständchen liefert, auf die Frage „Wann isch endlich, heidenei, des Corona mal vorbei?“, hat auch Glunk keine Antwort. Aber: sein Lied macht selbst dem letzten Skeptiker Mut, dass Fasnet 2022 stattfinden wird – nur eben anders.

Nach der Vorpremiere in der Zunftschüür zeigen sich die Mitwirkenden hinter und vor der Kamera mit ihrem Werk zufrieden. Zunftkanzler Ali Knoblauch, der laut Zunftmeister Stephan Glunk zusammen mit Narrenmodder Ekke Halmer zu den treibenden Kräften für die Online-Version zählt, ist zufrieden. „Wir wollten mit dem Film bewusst eine Tradition aufrecht erhalten, die Corona zuletzt stark ausgebremst hat“, sagt er. Knoblauch sieht in der neuen Variante aber auch eine Chance: Sonst würden in einem Jahr etwa 1000 Zuschauer den Narrenspiegel sehen. „Online sind viel mehr drinnen“, sagt er.

Ein einziges Manko bleibt nach der gelungenen Vorpremiere dann doch: Der Applaus, der den Darstellern sonst entgegenbrandete, fällt dieses Mal aus. Das ist der einzige Nachteil des ersten Online-Narrenspiegels. Und wer jetzt wissen will, weshalb ein gewisser Berni-Boy seinen Radweg vergessen hat, der sollte sich den Narrenspiegel online gönnen.

Premiere und Abruf

Am Freitag fand die Premiere des ersten Online-Narrenspiegels der Poppele-Zunft im kleinen Rahmen statt. In der Zunftschüür kamen laut Zunftmeister Stephan Glunk etwa 50 Personen zusammen, um den Film zusammen zu schauen. Am Samstag sind zwei weitere Aufführungen geplant. Nach der Eröffnung der Aufführung um 19.30 Uhr soll der Online-Narrenspiegel dann frei abrufbar im Internet sein (https://www.youtube.com/channel/Poppele). Bei der Vorpremiere kündigte Glunk zudem an, dass die Poppele 4000 Handzettel gedruckt haben, um sie in Singener Kindergärten zu verteilen. „So versuchen wir in diesem Jahr, unseren jüngsten Stadtbewohnern die Fasnet wenigstens ein Stückweit näherzubringen“, sagte er gegenüber dem SÜDKURIER. (mgu)

Quelle: Südkurier Singen, 11.02.2022 von Matthias Güntert

Poppele-Zunft auf YouTube
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Die Filmemacher Claudius Paul und Denis Fischer
Über 40 Stunden Dreh- und Schnittarbeiten liegen hinter Kameramann Claudius Paul und Tonman Denis Fischer.

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