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Die wohl spektakulärste Gestalt der Singener Fasnet ist der Hoorige
Bär. Der Hoorige Bär ist im 19. Jahrhundert
belegt und aus einem einfachen Strohbären hervorgegangen. Er ist aber gegen Ende des
19. Jahrhunderts vermutlich wegen der zunehmenden Industrialisierung Singens wieder aus
der Öffentlichkeit verschwunden.
Nach intensiven Studien wurde er 1949 wieder
ins Leben gerufen. Man ersetzte das früher verwendete Roggenstroh beim neuen
Häs durch Erbsenstroh. Jedes Jahr werden in der Poppele-Zunft Häser für
vierzehn
männliche Hästräger angefertigt. Damit man nicht, wie früher üblich, den
Hästräger jedes Jahr aufs Neue mit Stroh einbinden musste, wird das Erbsenstroh,
auf Drillichanzüge aufgenäht . Das hat den großen Vorteil, dass man
das Häs komplett an- u. ausziehen kann. Seit 1955 trägt der
Hoorige Bär eine Scheme (Maske), die von Fritz Moser (Villingen) und
später von
Hans Jehle (Sulz a.N.) geschnitzt wurde. Der Hoorige Bär führt einen knorrigen Stock mit sich
und kann mit diesem und der grimmig dreinblickenden Scheme sicherlich als eine
Verkörperung des Wilden Mannes gesehen werden. Die These, das Stroh als
Sinnbild für das Leblose in Zusammenhang mit dem Winter bzw. den
germanischen Winteraustreibungskulten zu sehen, ist heute
wissenschaftlich widerlegt. (vgl. Mezger, W. 1999, S. 58f)
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Als charakteristisch für die Fasnetsgestalten in der Bodenseeregion
gelten die mit mehrfarbigen Stoffblätzle zusammengesetzte Gewänder der
Hansele.
Das Singener Blätzlihansel ist seit Beginn des 19. Jahrhundert
nachweisbar und wurde zusammen mit
dem Hoorigen Bär 1949 wiederbelebt. Das Häs besteht aus Hose mit Kittel mit in
gleicher Form gestanzten Blätzle mit genau festgelegten und in einer bestimmten
Reihenfolge angeordneten Farbtönen (gelb, grün, braun, rot, blau). Dazu
gehören ein Schweif mit Fuchsschwanz und eine schwarze Stoffmaske mit rot eingefassten
Rändern bzw. Öffnungen. Ungefähr dreihundert kleine Schellen und
die "Suubloodere" (eine aufgeblasene Schweinsblase) verleihen dem
Blätzlihansel einen fröhlichen Charakter.
Über den Ursprung der
bunten Stoffgewänder kursieren teilweise überspitzte Vermutungen.
Sehr
nahe liegt die Überlegung, dass die Blätzlekleider für die frühere
Generationen schlichtweg am billigsten herzustellen waren, weil sie
einfach aus Resten zusammengeflickt wurden. Obwohl die Blätzlegewänder
inzwischen zu textilen Kunstwerken veredelt wurden und viele von ihnen
recht freundliche Züge tragen, stehen diese Gestalten in Verbindung mit
dem Allerweltsnamen Hans:
Die
Benennung Hansele ist ein Hinweis, dass diese Fasnetsgestalt für eine
nicht ganz ernstzunehmende Person steht, was noch immer in
„Hanswurst“ oder in dem Verb „hänseln“ zum Ausdruck kommt (vgl.
Werner Mezger, "Das große Buch der schwäbisch-alemannischen
Fasnet", S. 51)
.
In der Poppele-Zunft gibt es ca. 80 Blätzlihansel, wobei alle
Hästräger männlich sind.
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Schellenhansel seit 2002
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Vor dem 2. Weltkrieg lief das Schellenhansel
regelmäßig bei der Fasnet in Singen mit. Damals wurde das Häs überwiegend
von Jugendlichen getragen. Nach dem Krieg wurde diese Figur dann nicht
mehr mit Leben erfüllt, wahrscheinlich deshalb, weil mit dem Hoorigen
Bären und dem Blätzlihansel zwei Narrentypen aus dem alten Singener Dorf
wieder belebt wurden. Ein weiterer Grund dürfte wohl auch gewesen sein,
dass diese Art von Narrenkleid zu karnevalistisch erschien. Dabei hat der
Schellenhansel eine Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht.
So wurde in der Poppele-Chronik beim Jahr 1894 auf ein Schellenhansel im
Hintergrund eines Bildes hingewiesen, dass diese Narrenhäser Jahrzehnte in
der Singener Fasnet üblich waren. Nach der Jahrhundertwende verschwand der
Schellenhansel aus dem Bild der Singener Fasnet und kehrte erst 1934
wieder zurück.
Damals wurde von der NS-Regierung die
Wiederbelebung
traditioneller Bräuche gefördert. Von da an war der Schellenhansel wieder
fester Bestandteil der Singener Fasnet bis zum Ausbruch des 2.
Weltkrieges. So nahm die Poppele-Zunft im Februar 1938 mit einer Gruppe
Schellenhansel am Großen Narrentreffen in Überlingen am See teil. Heute,
über 60 Jahre Späte erlebt der Schellenhansel sozusagen seine dritte
Geburt. Nachdem aus der Gruppe der Rebwieber vermehrt der Wunsch kam, auch
als weibliches Zunftmitglied maskiert an der Fasnet teilnehmen zu können,
kam ein Rebwieb auf die Idee, diese schöne, alte Narrenfigur wieder mit
Leben zu erfüllen und zusätzlich mit einer Drahtgazemaske zu versehen.
Die Gruppe der Schellenhansel ist ausschließlich den weiblichen
Mitgliedern der Zunft vorbehalten.
Singener Schellenhansel 1930er Jahre
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mit
Treiber
Der tritt erst seit 60 - 70 Jahren in Singen auf und ist wohl ein Überbleibsel eines
Fasnetsspiels, und zwar wahrscheinlich des Jahrmarktes von 1894. Es gibt hier
keinen Bezug zum St. Galler Bär, der 1899 ins Singener Stadtwappen aufgenommen
wurde, weil Singen erstmals im Jahre 787 in einer St. Galler Urkunde erwähnt
ist.
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